Diskussionsthema: „Risiken“
Moderation: Prof. Dr. Christian Melchers/FBW und Dr. Ralf Moryson/Fraunhofer Institut für zerstörungsfreie Prüfverfahren (IZFP), Bericht: Henning Jasnowski-Peters/TH Georg Agricola, Bochum
Einleitend stellte Prof. Melchers den Unterschied zwischen Risiken und Gefahren sowie die Anwendung des Aktualitätsprinzips, Erfahrungen aus anderen Steinkohlerevieren miteinzubeziehen, heraus. Das Risiko lässt sich aus dem Produkt aus Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß bewerten, während eine Gefahr eine Sachlage beschreibt, „in der bei ungehindertem Ablauf des zu erwartenden Geschehens in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden … eintreten wird“. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass ein Risiko kalkulierbar ist und somit einer klaren Bewertung unterliegt. Diese Feststellung führte zu einer sachlichen und problemorientierten, wenn auch kontrovers geführten Diskussion, die sich einvernehmlich auf den geplanten Anstieg auf -320 mNN (Phase I) und somit auf einen dreijährigen Zeitraum, der die Wasserprovinzen Reden und Duhamel betrifft, bezog. Diese Phase wurde in der Diskussion auch als sog. „Lernphase“ bezeichnet, in der man „Fakten zusammentragen wolle“. Das Risiko etwaiger Schäden, die mit dem Anstieg in Phase I verbunden wären, wurde allgemein als gering eingeschätzt. Allerdings wurde auch vermerkt, dass die Bewilligung von Phase I gleich käme mit einer „Generalbewilligung“ der Phase II. Bemängelt wurde auch der „Zeitdruck“, der auf dem Vorhaben lastet, welches nämlich schon ab 2017 geplant war.
Neben den Sachthemen wurden immer wieder die Historie und die Erfahrungen seit dem Abbaustopp in 2008 geschildert, bei der ein Beben der Stärke 4,3 auf der Richterskala das Saarland unvorhergesehen erschütterte und zum Erliegen des Steinkohlenbergbaus an der Saar im Juni 2012 führte. Die Schadensbewältigung sowie auch der generelle „Strukturwandel“ wurden aus Sicht der Vertreter der saarländischen Bürgerinnen und Bürger bisher nicht vollzogen bzw. liefen zu langsam ab. Die „Chance der Geothermie“ für die Region würde nicht erkannt, und der damit verbundene Begriff der „Nachhaltigkeit“ würde nicht ernst genug genommen.
Die Risiken gingen somit weit über die rein physikalische Thematik des Grubenwasseranstieges hinaus und dehnten sich auch auf gesellschaftliche und sozio-ökonomische Aspekte aus. Dies war in seiner Vehemenz in der Diskussion über Risiken überraschend. Offenbar wurde die Historie von 2008 bislang unzureichend aufgearbeitet und das Empfinden der Menschen im Saarland fehleingeschätzt. Das gelegentlich so bezeichnete „Trauma/Erschütterungstrauma“ nimmt eine wichtige Rolle in der Wahrnehmung des Grubenwasseranstieges ein. Der Fokus der Abwicklung des Grubenwasseranstieges liegt auf „Schaden ohne Nutzen“.
- Diskussionsthemen der Station „Risiken“.
Der Umweltminister des Saarlandes benutzte in seinem vorangegangenen Grußwort das Wort „Versuchskaninchen“. Er machte deutlich, dass „politische Argumente in der Diskussion fehlleitend seien und er faktenbasiert und dialogorientiert handeln würde“. Er stellte klar heraus, sich dafür einzusetzen, dass Grubenwasser ab dem Jahr 2021 nur „gereinigt“ in die Vorfluter eingeleitet werden dürfe.
Die derzeitige Stimmung in der Bevölkerung wurde allgemein von den Bürgermeistern und Politikern mit „Vertrauensverlust gegenüber der RAG und den Gutachtern“, einer generellen „Ohnmacht“ und einem unterschwelligen „Ungerechtigkeits-Bewusstsein“ im Vergleich zu den anderen Kohlerevieren bzgl. des Kohleausstieges tituliert. Dies an sich wurde auch als Risikofaktor herausgestellt, da die Ohnmacht eine rationale und konstruktive Bewertung von Risiken nur schwer zuließe, durch Bürgerproteste zu einer Instabilität der Region führe und somit ein generelles Hemmnis sei. Bei den Diskutierenden wurde neben der Klage über Missstände und deren Regulierung aber auch oftmals Verständnis für ein nüchternes Einschätzen und Bewältigen der Risiken geäußert. Die Sachlage kann von den Verantwortlichen angeblich nur schwer dem „Normalbürger“ zugänglich gemacht werden, was zu einer generellen Ablehnung des Konzeptes geführt hat.
Folgende Risiken wurden darüber hinaus in der Diskussion genannt:
- Pumpenausfälle und das Fehlen von Fachpersonal/Logistik in der Zukunft
- Induzierung von Hebungen verbunden mit Gebäudeschäden durch den Anstieg (Verweis auf Erkelenzer Revier, Aachen)
- Erdbeben wie 2008
- Radon als radioaktives Edelgas und damit einhergehend ein latentes Krebsrisiko
- Trinkwassergefährdung (eher in Phase II) durch Versalzung
- Rekultivierungsmaßnahmen bergen in Kombination mit der Klimaerwärmung Gefahren: Vernässung, sogar Malaria wurde in Bezug auf den Bach „Merch“ erwähnt, der zwischen Illingen und Merchweiler verläuft.
In der Diskussion wurde die Gegenfrage gestellt: „Welche Alternative bleibt gegenüber dem Grubenwasseranstieg?“ Antwort: „Ewiges Pumpen?“.
Die Diskussion in diesem Punkt enthielt die folgenden Beiträge:
- Ein zu langsamer Anstieg birgt größere Gefahren in der Zukunft, da lufterfüllte Grubenbaue zu stärkerer Konvergenz und somit zu einem höheren Risiko von Erdbeben und Senkungen führen und zudem die Ausgasung und auch die Radon-Emissionen nicht vermindert würden
- Das Pumpen wäre auch in Zukunft teuer und würde auch die Entwicklung der Region hemmen
- Fehlende natürliche Flusslandschaften wären die Folge.
Als wichtige Quintessenz kann man aus den Aufzählungen potenzieller Risiken und einer Bewertung der bisherigen Schadensbewältigung und der Historie folgende Erkenntnisse herausfiltern:
- Die Risiken erstrecken sich von physischen, sachbezogenen bis hin zu psychologisch wirksamen Inhalten.
- Fehlende Akzeptanz bei Bürgerinnen und Bürgern: Es ist nicht gelungen, die Komplexität der Zusammenhänge allgemein verständlich darzulegen; zudem fehlt eine transparente Risikoabschätzung/-analyse.
- Ein korrektives Risikomanagement fehlt.
Zusammenfassend ist eine gewisse Resignation erkennbar, da von Seiten der Gutachter die wissenschaftlichen Ergebnisse zum Grubenwasseranstieg bisher sehr komplex und somit intransparent für die betroffene Bevölkerung dargelegt wurden. Die Bürgerinnen und Bürger reagieren darauf sehr skeptisch und oftmals irrational.